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2016 · Insight

Crowdinvesting – ernst zu nehmende Anlageklasse oder Modeerscheinung?

Crowdinvesting hat sich als vielseitige Anlageform auch im vergangenen Jahr in Deutschland weiter etabliert. Die von der jungen Finanzierungsform
ausgehende Faszination ist nach wie vor ungebrochen. Perspektivisch könnte sich Crowdinvesting zu einer ernst zu nehmenden Anlageklasse
entwickeln.

Seit 2011 hat sich in Deutschland ein wachsendes Marktsegment entwickelt, in dem Anleger v.a. in Startup-Unternehmen, Immobilien- und „grüne“ Projekte investieren können. Das sogenannte Crowdinvesting oder Equity-based Crowdfunding ist von ähnlichen Varianten des Kapitaleinsammelns wie dem Crowdfunding oder Crowdlending zu unter scheiden. Beim Crowdinvesting handelt es sich um nahezu ausschließlich von Internetplattformen vermittelte Beteiligungen von (Klein-)Anlegern am Unternehmenserfolg der Projektgesellschaften, die zumeist als partiarische Nachrangdarlehen ausgestaltet sind. Den Untersuchungen der Professoren Klöhn und Hornuf aus München zufolge sind Crowdinvestoren typischerweise mehrheitlich männlich, im Durchschnitt 39 Jahre alt, beruflich in einer finanzierungs- oder innovationsnahen Branche tätig und haben bereits Erfahrung am Kapitalmarkt gesammelt.

Mehr als nur Modeerscheinung

Crowdinvesting ist mehr als nur eine kurzfristige Modeerscheinung. Zu einem großen Teil ist das der Vielseitigkeit dieser Finanzierungsart zu verdanken. In vielen Fällen vertreiben die Unternehmen, die eine Finanzierung bei der Crowd suchen, ein fertiges Produkt an den Endverbraucher. Crowdinvesting kann in diesen Fällen nicht nur Finanzierungsmethode, sondern auch Marketinginstrument sein, mit dem die Bekanntheit eines Produkts oder Projekts gesteigert werden kann, und ermöglicht gleichsam ein erstes „Antesten“ des Marktes. Die Vielseitigkeit spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Anlageklassen beim Crowdinvesting wider. Ursprünglich diente das Crowdinvesting der Finanzierung von Start-up-Unternehmen. Mittlerweile sind weitere Assetklassen dazugekommen. So werden mittels Crowdinvesting v.a. energetische und ökologische sowie Filmprojekte finanziert. Einen wesentlichen Umfang macht auch die Finanzierung von Immobilien aus. Gerade bei der Immobilienfinanzierung zeigt sich, dass eine vollständige Projektfinanzierung durch Crowdinvesting nicht im Vordergrund stehen muss, denn häufig stellen die Crowdinvestoren neben den Eigenkapitalgebern und klassischen Bankdarlehen nur einen vergleichsweise geringen Teil des benötigten Kapitals zur Verfügung. Die zunehmende Breite der Anlageklassen führt zu einer zuneh menden Diversifizierung der Plattformen. So gibt es mittlerweile Plattformen, die ausschließlich Immobilienfinanzierungen vermitteln oder energetische Sanierungsprojekte.

Prognostische Unwägbarkeiten

Die Beurteilung der bisherigen Entwicklung von Crowdinvesting sowie eine gesicherte Vorhersage zur künftigen Entwicklung sind schwierig. Dies liegt zum einen daran, dass belastbares Zahlenmaterial zum Erfolg der Investments, die in der Regel eine Laufzeit von zwei bis sieben Jahren haben, bislang kaum vorliegt. Dafür ist Crowdinvesting ein zu junges Phänomen. Bei der überwiegenden Anzahl der Investitionen ist die Laufzeit der Anlage noch nicht beendet.

Statistisch gesicherte Schlussfolgerungen, wie Crowdinvesting im Verhältnis zu anderen Investitionsformen abschneidet, sind auf Grundlage der vorhandenen begrenzten Daten schwierig. Dass Crowdinvesting im Allgemeinen hohe Renditechancen bietet, aber auch mit hohen Risiken verbunden ist, dürfte unbestritten sein. So wurden einerseits bereits erste Investments für die Crowd erfolgreich abgewickelt. Im Falle von Cashboard wurden die Anleger sogar schon kurz nach Abschluss der Crowdfinanzierungsrunde von größeren VC-Investoren mit einer Rendite von 48% abgelöst. Andererseits haben laut Crowdfunding-Monitor bei insgesamt 209 finanzierten Unternehmen bzw. Projekten bereits ca. 25 bis 30 den Geschäftsbetrieb eingestellt oder Insolvenz angemeldet.

Zum anderen ist die Marktentwicklung vom regulatorischen Umfeld abhängig. Hier gab es in Deutschland mit Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes am 10. Juli 2015 einige Neuerungen, deren Einfluss auf die Branche abzuwarten bleibt. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Befreiung von der Erstellung eines Vermögensanlagenprospekts, die im neuen § 2a VermAnlG geregelt ist. Diese Ausnahmevorschrift befreit nur partiarische oder nachrangige Darlehen von einer Prospektpflicht des Emittenten, nicht aber z.B. stille Beteiligungen oder Genussrechte. Zudem ist für die Plattformen weiterer Rechtsum setzungsaufwand entstanden, der einige Detailfragen aufwirft, die noch nicht abschließend geklärt sind.

Fazit

Crowdinvesting ist eine vielfältige Anlagevariante. Es kann gerade im Bereich der Start-up-Finanzierung Lücken füllen, die herkömmliche Finanzierungsmethoden offen lassen. Es wird bereits jetzt von bestimmten Marktteilnehmern – vor allem zur Portfoliodiversifizierung – verwendet. Es sind auch weiterhin innovative Impulse, die von Crowdinvesting ausgehen, zu erwarten. Ob Crowdinvesting zu einem „Massenphänomen“ für die breite Bevölkerungsschicht werden wird, bleibt aber abzuwarten. Hierbei wird auch das Aufsichtsrecht eine Rolle spielen.

in: VentureCapital Magazin, 1|2-2016, 44-45
Autoren: Dr. Peter Bujotzek, Felix Mocker