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Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020)

Der Bundesrat hat heute dem Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) zugestimmt. Dieses umfasst Anpassungen an EU-Recht und EuGH-Rechtsprechung, Reaktionen auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen sowie Folgeänderungen und Anpassungen auf Grund von vorangegangenen Gesetzesänderungen.

Diese Vorgaben werden in zahlreichen Neuregelungen und Anpassungen sowohl im Rahmen des EStG und des UStG als auch auf dem Gebiet des Erbschaftsteuerrechts sowie weiterer Steuerrechtsgebiete umgesetzt. Im Folgenden werden die einzelnen Änderungen des ErbStG sowie ihre Bedeutung für die Praxis dargestellt.

Zusammenfassung der Änderungen

  • Abfindung für Vermächtnis
  • Fiktiver Zugewinnausgleich
  • Steuererstattung des Todesjahres
  • Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten
  • Ersatzerbschaftsteuer: Bemessungsgrundlage
  • Gesonderte Feststellung
  • Drittstaaten Betriebstätte
  • Rückwirkendes Ereignis für Vorerwerb

A. Abfindung für Vermächtnis

Nunmehr wird eine Abfindung für ein angenommenes Vermächtnis gewährt, das wegen der Annahme nicht mehr ausgeschlagen werden kann, § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG neue Fassung („n.F.“). Die alte Fassung („a.F.“) enthielt einen Verweis auf eine Ausschlagungsfrist, die nach dem maßgeblichen Erbrecht für ein Vermächtnis nicht existiert. Durch diese Änderungen erfolgt somit lediglich eine Klarstellung ohne materielle Auswirkung.

B. Fiktiver Zugewinnausgleich

Geltendes Recht gewährt dem überlebenden Ehegatten im Falle des Todes seines Ehegatten eine Steuerbefreiung in Höhe der Ausgleichsforderung, die er als Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB hätte geltend machen können, wenn er nicht Erbe geworden wäre und ihm auch kein Vermächtnis zustünde, § 5 Abs. 1 ErbStG. Diese Befreiung wirkt wie ein zusätzlicher Freibetrag.

Durch die Neuregelung soll eine nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten beseitigt werden. Sie entsteht dadurch, dass bei der Berechnung der Ausgleichsforderung nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und Endvermögens nicht berücksichtigt wurde, ob für das im Endvermögen enthaltene Nachlassvermögen Steuerbefreiungen gewährt wurden. Steuerbefreiungen in diesem Sinne sind etwa Befreiungen für denkmalgeschützte Erwerbsgegenstände, für Familienheime oder für steuerentlastetes Unternehmensvermögen.

Die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung wird nunmehr nach dem Verhältnis zwischen dem um die Steuerbefreiungen geminderten Wert des Endvermögens zum Wert des Endvermögens gemindert. Bei Entfallen oder rückwirkender Minderung sowie erstmaliger Gewährung oder rückwirkender Erhöhung einer Steuerbefreiung wird die Steuerfestsetzung geändert und die abzugsfähige Zugewinnausgleichsforderung neu berechnet. Ein Zugewinnausgleich zu Lebzeiten (vgl. § 5 Abs. 2 ErbStG) ist von dieser neuen Regelung nicht erfasst. Gleiches gilt für den Fall, dass der Zugewinnausgleich nach § 1371 BGB erfolgt, der überlebende Ehegatte also weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird oder das Erbe ausschlägt (und den sog. kleinen Pflichtteil geltend macht).

C. Steuererstattung des Todesjahres

Nach der Rechtsprechung des BFH fallen ESt-Erstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, nicht in den steuerpflichtigen Erwerb, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen. Vom Erblasser stammende Steuerschulden für das Todesjahr sind nach der Rechtsprechung jedoch als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

Die gesetzliche Neuregelung sieht vor, dass künftig sowohl die das Todesjahr des Erblassers betreffenden Steuererstattungsansprüche anzusetzen als auch die Steuerschulden abzuziehen sind. Hierdurch soll die Ungleichbehandlung zwischen Steuererstattungsansprüchen und Steuerschulden, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, beseitigt werden. Die neue Regelung ist ungünstig für den Steuerpflichtigen. Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten bleibt unverändert, während sich der Wert des Nachlasses durch die Einbeziehung von Erstattungsansprüchen erhöht, die bei Tod des Erblassers rechtlich noch nicht entstanden waren. Wieder einmal wurde eine für den Fiskus nachteilige Rechtsprechung des BFH „auf dem Gesetzeswege“ ausgehebelt.

D. Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten

Der BFH sieht in seiner Rechtsprechung den von § 10 Abs. 6 ErbStG a.F. vorausgesetzten wirtschaftlichen Zusammenhang nur als gegeben an, wenn Schulden oder Lasten bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen zugeordnet werden können. Nach dieser Rechtsprechung konnten die Schulden und Lasten in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, selbst wenn zum Nachlass ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände gehörten. Allerdings hat der BFH darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber ein allgemeines Abzugsverbot anordnen könne, und den Ball damit quasi auf den Elfmeterpunkt gelegt. Das JStG 2020 hat diesen Strafstoß verwandelt, denn die Gesetzesbegründung führt aus: „Ein solcher Regelungsbedarf besteht.“ (BR-Drucks. 19/22850 S. 173).

Nunmehr werden Schulden und Lasten, die in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, anteilig allen Vermögensgegenständen des Erwerbs zugerechnet. Kosten der Bestattung des Erblassers oder der Abwicklung oder Regelung des Nachlasses sind hiervon ausgenommen. Der Anteil der jeweiligen Schuld oder Last, der dem einzelnen Vermögensgegenstand zugerechnet wird, bemisst sich nach dem Verhältnis des Werts des jeweiligen Vermögensgegenstands (nach Abzug der mit diesem in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten) zum Gesamtwert aller Vermögensgegenstände (nach Abzug aller mit diesen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten).

Eine Steuerbefreiung z.B. für Unternehmensvermögen oder Wohnimmobilien wird nunmehr auf den Gesamtbetrag des begünstigten Vermögens gewährt, sodass bei der Aufteilung der wirtschaftlich nicht direkt zurechenbaren Schulden nicht auf den einzelnen Vermögensgegenstand, sondern auf die Summe des begünstigten Vermögens abzustellen ist.

E. Ersatzerbschaftsteuer: Bemessungsgrundlage

Durch das JStG 2020 wird klargestellt, dass auch die Ersatzerbschaftsteuer für Familienstiftungen die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindert.

F. Gesonderte Feststellung

Die gesonderte Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Abschlag für erbschaftsteuerliche Familienunternehmen und dessen Höhe durch das zuständige Betriebsfinanzamt wird nunmehr angeordnet, § 13a Abs. 9a ErbStG n.F. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Abschlag erfolgt auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung und betrifft die Gewährung des Abschlags. Hieraus ergibt sich keine Bindungswirkung für die Prüfung, ob die Voraussetzungen über den Zeitraum von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung eingehalten werden. Mit dieser langen Bindungsfrist mit Fallbeil-Wirkung dürfte die Norm weiter ein Schattengewächs bleiben.

G. Drittstaaten Betriebstätte. Gesonderte Feststellung von Sockelbetrag, Finanzmitteln sowie des nichtbegünstigten Betriebsvermögens

Die Feststellungen des zum übertragenen Betriebsvermögen gehörenden Vermögens einer in einem Drittstaat belegenen Betriebsstätte und des Vorliegens der Voraussetzungen für den Sockelbetrag erfolgen in Zukunft gesondert durch das zuständige Betriebsfinanzamt, § 13b Abs. 10 Satz 1 ErbStG n.F. Auch hier spricht die Gesetzesbegründung davon, dass das gesamte Verfahren sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung übersichtlicher und einfacher zu handhaben werde. Richtig dürfte vor allem sein, dass Änderungen der (Folge-) Erbschaftsteuerbescheide aufgrund der gesonderten Feststellungsbescheide (Grundlagenbescheide) und der damit verbundenen zweijährigen „Auswertungsfrist“ länger möglich sein werden.

H. Rückwirkendes Ereignis für Vorerwerb

Mehrere Erwerbe, die von derselben Person innerhalb von zehn Jahren anfallen, sind gemäß § 14 ErbStG bei der Erbschaftsteuer des jeweils letzten Erwerbs im Zehnjahreszeitraum mit diesem letzten Erwerb zusammenzurechnen. Die einzelnen Erwerbsvorgänge verlieren dabei aus steuerlicher Sicht jedoch nicht ihre Selbstständigkeit. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine geänderte Steuerfestsetzung für den Vorerwerb für sich allein gesehen kein rückwirkendes Ereignis, welches die Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb zulässt.

Die gesetzliche Neuregelung schafft eine Änderungsmöglichkeit zur Korrektur einer Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb, wenn die Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses geändert wird. Auch der erstmalige Erlass, die Änderung und die Aufhebung einer Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb sind als rückwirkende Ereignisse für die Steuerfestsetzung des nachfolgenden Erwerbs anzusehen.

I. Sonstige Änderungen

Es wird klargestellt, dass die Pflicht zur Anzeige des Erwerbs sowie zur Abgabe der Steuererklärung auch in Fällen der Ersatzerbschaftsteuer gilt. Das Finanzamt fordert die Erklärung von der Stiftung, dem Verein, dem Familienmitglied oder dem Mitglied des Vereins an.

J. Anwendung

Die neuen Regelungen finden auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem Tag der Verkündung des JStG 2020 im Bundesgesetzblatt entsteht.

K. Folgen für die Praxis

Durch die Änderungen im Rahmen des Erbschaftsteuerrechts tritt insgesamt eine ungünstigere Lage für den Steuerpflichtigen ein. Insbesondere die Neufassungen zum fiktiven Zugewinnausgleich und zur Nicht-Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten erfordern jetzt ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit bei der Planung der Unternehmens- und Vermögensnachfolge. Zudem ist eine weitere Verkomplizierung und Bürokratisierung der Erbschaftsteuer auf Kosten der Familienunternehmen, ihrer Berater und der Finanzverwaltung festzustellen.

Autoren: Dr. Katharina Gollan, Dr. Maximilian Haag, Dr. Katharina Hemmen, Dr. Martin Liebernickel, Dr. Christoph Philipp, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Viskorf
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