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Update zur „Geschlechterquote“ gemäß FüPoG II

1. Einführung

Am 25. Februar 2021 hat der Bundestag in erster Lesung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzesentwurf zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen (sog. Zweites Führungspositionen-Gesetz – „FüPoG II“) beraten. Ziel dieses Gesetzesvorhabens ist es, die bereits im Jahr 2015 mit dem sog. Ersten Führungspositionen-Gesetz („FüPoG I“) eingeführten Regelungen zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen weiterzuentwickeln und bestehende Lücken zu schließen.

Mit dem FüPoG I wurde im Bereich der Privatwirtschaft eine fixe Quote für Aufsichtsräte börsennotierter und gleichzeitig paritätisch mitbestimmter Unternehmen eingeführt. Flexible Quoten (sog. Zielgrößen) gelten seither in Aufsichtsräten, Leitungsorganen und den obersten beiden Führungsebenen börsennotierter oder mitbestimmter Unternehmen.

Die Bundesregierung stützt ihr aktuelles Gesetzesvorhaben insbesondere auf eine Evaluation des FüPoG I, die ergeben habe, dass Frauen im Vorstand nach wie vor stark unterrepräsentiert sind und dass sich eine große Anzahl von Unternehmen die Zielgröße Null für den Frauenanteil in Führungspositionen setzen. Zwar sei mit dem FüPoG I ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung erreicht worden, gleichwohl sei es erforderlich, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen durch weitere verpflichtende Vorgaben zu verbessern.

Zu den geplanten Neuerungen im Bereich der Privatwirtschaft im Einzelnen:

2. Wesentliche Neuerungen

a) „Vorstandsquote“ im Sinne eines Mindestbeteiligungsgebots

Die prominenteste Neuerung ist die Regelung in § 76 Abs. 3a S. 1 AktG-E, wonach der Vorstand einer paritätisch mitbestimmten, börsennotierten AG oder SE künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein muss, wenn der Vorstand aus mehr als drei Mitgliedern besteht. Es handelt sich daher nicht um eine Quote im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um ein Mindestbeteiligungsgebot auf Vorstandsebene.

Dieses Mindestbeteiligungsgebot soll explizit nur für Unternehmen gelten, die börsennotiert und zugleich paritätisch mitbestimmt sind. Damit ist für diese Pflicht erneut der überschaubare Kreis der großen „Leuchtturmunternehmen“ erfasst, denen laut Gesetzesbegründung eine „besondere Ausstrahlungswirkung“ und eine gewisse „Vorbildrolle“ zugeschrieben wird. Von einer Ausdehnung auf andere Gesellschaftsformen hat das Bundeskabinett bewusst abgesehen. Gerade im Bereich der mittelständischen Unternehmen oder bei familiengeführten GmbHs soll an der flexiblen Quote festgehalten werden, um solchen Unternehmen weiterhin die freie Gestaltung ihrer Leitungsorgane zu ermöglichen.

Eine Bestellung unter Verstoß gegen das Mindestbeteiligungsgebot ist wie bei der fixen Quote im Aufsichtsrat nach dem FüPoG I nichtig (sog. „Leerer Stuhl“). Solange ein (mehr als dreiköpfiger) Vorstand bislang kein weibliches Mitglied hat, kann daher nur eine Frau als Vorstandsmitglied wirksam bestellt werden. Dies gilt sowohl im Fall der Wiederbesetzung eines bestehenden Postens als auch im Fall der Besetzung eines neu geschaffenen Postens. Bei einer en bloc-Bestellung ist die Bestellung insgesamt nichtig, wenn das Mindestbeteiligungsgebot nicht beachtet wird.

b) Erweiterte Angabe- und Begründungspflichten für Zielvorgaben

Für Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, gelten die bisherigen flexiblen Quoten für Führungspositionen weiter. Allerdings verschärft der Entwurf des FüPoG II insofern die Angabe- und Begründungspflichten.

Das Gesetz macht bisher keine Vorgaben, wie die Zielgrößen zu beschreiben sind (in der Praxis üblicherweise in Form von Prozentangaben). Der Entwurf des FüPoG II verlangt nunmehr die Angabe sowohl der angestrebten Anzahl als auch des angestrebten Frauenanteils in den jeweiligen Gremien bzw. in der jeweiligen Führungsebene.

Die Festlegung der Zielgröße Null für den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und den Aufsichtsrat bleibt – mit Ausnahme des Anwendungsbereiches der fixen Quote bzw. des Mindestbeteiligungsgebots – weiterhin zulässig. Die vorgeschlagenen Änderungen sehen jedoch vor, dass die Festlegung einer Zielgröße Null begründet werden muss. Ausweislich des vorgeschlagenen Gesetzeswortlauts ist der Beschluss des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats klar und verständlich zu begründen; in der Begründung sind die Erwägungen, die der Entscheidung zugrunde liegen, ausführlich darzulegen. Nach der Vorstellung der Bundesregierung soll die Begründung dem Ausnahmecharakter der Zielgröße Null Rechnung tragen. Demnach müsse die Begründung der Öffentlichkeit eine gewissenhafte Entscheidung plausibel machen. Als Richtschnur für den Detailierungsgrad gibt die Gesetzesbegründung einen Umfang von 100 bis 150 Wörtern an.

c) Erweiterte Berichtspflichten

Eine Verschärfung sieht der Regierungsentwurf auch im Hinblick auf die handelsrechtlichen Berichtspflichten des § 289f HGB vor. Demnach ist insbesondere die Begründung für die Festlegung der Zielgröße Null sowie die Einhaltung des neuen Mindestbeteiligungsgebotes in die Erklärung zur Unternehmensführung bzw. den Lage- und Konzernlagebericht aufzunehmen.

d) Sanktionsmechanismus

Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung ferner beim Thema Sanktionierung. Der Sanktionsmechanismus bei der Verletzung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit der Festlegung von Zielgrößen soll verbessert und wirksamer ausgestaltet werden.

Die erweiterten Berichtspflichten werden in das handelsbilanzrechtliche Sanktionssystem des HGB eingebettet. Verstöße gegen die Berichtspflichten über Zielgrößen, Fristen und Begründungen sind als Ordnungswidrigkeiten verfolgbar. Insofern drohen künftig empfindliche Bußgelder. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften kann ein Bußgeld in Höhe von alternativ bis zu (i) EUR 10 Mio., (ii) 5% des jährlichen Gesamtumsatzes oder (iii) des Doppelten des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils verhängt werden. Mit einer verstärkten Kontrolle der Einhaltung der Berichtspflichten seitens der Verwaltungsbehörde dürfte zu rechnen sein.

3. Inkrafttreten

Das Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand soll für Bestellungen einzelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder nach Ablauf einer Übergangsfrist von acht Monaten nach dem Inkrafttreten des FüPoG II gelten. Bestehende Mandate können jedoch bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden. Die Vorstandspositionen müssen mithin nur sukzessive nachbesetzt werden.

Die erweiterten Angabe- und Begründungspflichten für die Festlegung von Zielgrößen sollen hingegen unmittelbar nach Inkrafttreten des FüPoG II greifen.

Die erweiterten handelsrechtlichen Berichtspflichten sollen erstmals bereits auf Lage- und Konzernlageberichte sowie Erklärungen zur Unternehmensführung für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden sein.

4. Ausblick

Ob der Regierungsentwurf des FüPoG II in dieser Form umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten.

Autoren: Dr. Eva Nase, Dr. Sebastian Seier, Stefanie Jahn, Dr. Moritz Lehnert